Der Bock als Gärtner – illegale Online-Casinos sollen zukünftig als legale Anbieter auftreten
Man stelle sich vor, dass im Zuge der Legalisierung von Cannabis vorher illegal agierende Dealer nun als anerkannte Fachhändler Cannabis verkaufen dürfen und hierbei eine kontrollierte und vor allem suchtpräventive Abgabe an den Bürger überwachen sollen. Klingt nicht ganz richtig? In Bezug auf Anbieter illegalen Online-Glücksspiels geschieht genau das gerade im Zuge der Einführung des neuen Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV 2021).
Illegale Anbieter sollen sich durch Einhaltung gesetzlicher Vorgaben bewähren
Die obersten Staats- und Senatskanzleien entschieden sich im Zuge der Umsetzung des neuen Glücksspielstaatsvertrages dazu, illegalen Anbietern die Möglichkeit zu eröffnen, ihre Leistungen künftig legal anbieten zu können. Halten sich diese an die Anforderungen, welche innerhalb der gemeinsamen Leitlinien in Bezug auf Angebote von virtuellen Automatenspielen und Online-Poker festgelegt sind, gilt dies als Indikator der notwendigen Zuverlässigkeit für eine spätere Erlaubniserteilung.
Diese Handhabung erscheint jedoch aus gleich mehreren Gesichtspunkten fragwürdig. Das Veranstalten von Online-Glücksspiel ohne entsprechende Erlaubnis stellt nämlich keineswegs lediglich eine Ordnungswidrigkeit dar, sondern gemäß § 284 StGB eine Straftat. Schon aufgrund des Umstandes, dass sich die Anbieter hiervon nicht abschrecken ließen, stellt sich daher die Frage, ob diese Online-Casinos tatsächlich bereit sind, die gesetzlichen Anforderungen an den Spielerschutz künftig umzusetzen.
Ebenfalls zu bemängeln ist, dass die Überlegung, Online-Glücksspiel insgesamt zu verbieten zu keinem Zeitpunkt ernsthaft in Erwägung gezogen wurde.
Ärzte und Therapeuten warnten bereits vor der Verabschiedung des GlüStV 2021 davor, dass gerade das Glücksspiel im Internet dazu geeignet sei, Menschen in die Spielsucht zu drängen oder ehemals Spielsüchtige in die Gefahr eines Rückfalles zu bringen. Anders als stationäre Automaten oder Casinos, schließen die Online-Spielhallen nämlich nie, sind ohne Aufwand erreichbar und schützen den Spieler vor der Beobachtung durch andere.
Letztlich lässt sich zudem beobachten, dass viele Online-Anbieter auch heute noch ihre Dienste anbieten, obwohl diese die Anforderungen der durch die Glücksspielaufsichtsbehörden festgelegten Leitlinien gar nicht oder nur unzureichend erfüllen.
Ob sich dies ändert, sobald die ersten Online-Casinos eine Erlaubnis erhalten, bleibt abzuwarten. Bislang kann nämlich noch keines eine solche vorweisen. Dies geht aus der sogenannten White List der gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder hervor.
Glücksspiel ist ein Milliardengeschäft
Ein möglicher Grund für die Nachsichtigkeit der Aufsichtsbehörden mit den Anbietern könnte die schiere Größe des Glücksspielmarktes in Deutschland sein – und die hiermit einhergehenden Steuereinnahmen.
Laut Jahresreport der Glücksspielaufsichtsbehörden erwirtschaftete die Online-Glücksspielindustrie im Jahr 2021 einen Umsatz von 2,16 Milliarden Euro. Weit mehr als die Hälfte (ca. 1,56 Milliarden Euro) hiervon entfiel auf illegale Online-Angebote.
Auch wenn diese Summe hoch erscheinen mag, stellt diese lediglich 13 Prozent des Gesamtumsatzes der Glücksspielbranche (insgesamt ca. 11,68 Milliarden Euro) dar. Ein Großteil der Umsätze wird also auch heute noch an stationären Automaten und Casinos erwirtschaftet.
Spielsuchtprävention als unzureichend kritisiert
Sowohl Ärzte als auch Therapeuten haben sich öffentlich gegen die Erlaubnis von Online-Casinos ausgesprochen und die im neuen GlüStV verankerten Präventionsmaßnahmen als unzureichend kritisiert.
Als solche vorgesehen sind insbesondere ein monatliches Einzahlungslimit von 1000 Euro sowie die Möglichkeit, sich in einer nationalen Sperrdatenbank (OASIS) zu registrieren.
Beide Schutzkonzepte stoßen jedoch schnell an ihre Grenzen. So kann das Einzahlungslimit leicht umgangen werden, wenn neben dem Online-Glücksspiel auch an stationären Automaten oder in Casinos gespielt wird. Zudem erscheint fragwürdig, ob ein derart hohes Limit geeignet ist, einkommensschwache Familien vor existenzgefährdenden Verlusten zu schützen.
Eine Sperre innerhalb der OASIS-Datenbank kann entweder in Form einer Selbst- oder Fremdsperre erfolgen. Während Spielsüchtige aus naheliegenden Gründen oft von einer Selbstsperre absehen dürften, erfordert eine Fremdsperre – also eine Sperre auf Antrag eines Dritten – Nachweise in Form privater Dokumente wie etwa Kontoauszüge, welche oft kaum oder nur schwer für Freunde und Familienangehörige zu beschaffen sind.
Auch hängt die Effektivität der Sperrdatei stark davon ab, ob Anbieter, welche an dieser nicht teilnehmen, konsequent vom Markt ausgeschlossen werden. Gerade letzteres ist aktuell jedoch im keineswegs der Fall.
Zusammenfassung
Mit der Legalisierung bereits bestehender Online-Casinos wird die Verantwortung über Wohl und Wehe spielsuchtgefährdeter Verbraucher in die Hände erwiesenermaßen unzuverlässiger Anbieter gelegt. Auch die im neuen GlüStV verankerten Präventionsmaßnahmen scheinen kaum geeignet Abhilfe zu schaffen. Ob die neuen Regelungen zumindest perspektivisch zu einem sichereren Markt für Glücksritter führen, bleibt abzuwarten.
Festgeschriebenes Ziel des GlüStV ist es unter anderem „das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen.“ Aktuell wird die Übereinkunft der Länder diesem jedoch nicht gerecht.
Unterstützung für Spielsüchtige
Wenn Sie Probleme mit Spielsucht haben oder sich um Angehörige oder Freunde sorgen, finden Sie bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Hilfe. Unter der kostenlosen Hilfe-Hotline 0800/1372700 erhalten Sie Informationen zu Hilfsangeboten rund um das Thema Spielsucht. Weitere Infos zum Thema Spielsucht finden Sie auf unserer Themenseite.