Streik der Deutschen Bahn – (Wann) darf man das? 

11. Januar 2024
Der Streik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer löst bei vielen Betroffenen Wut aus. Rechtmäßig ist dieser jedoch, wie das Hessische Landesarbeitsgericht nun urteilte. Der VSVBB erklärt, wann Arbeitnehmern ein Streikrecht zusteht und was zu beachten ist. 

Ein großer Teil des Personals der Deutschen Bahn AG (DB) streikt in dieser Woche von Mittwoch bis einschließlich Freitag. Für Passagiere heißt dies geplante Reisen abzusagen, langwidrige Umgehungen zu nutzen oder auch bei der Fahrt mit dem Taxi deutlich drauf zu zahlen.  

Vielen Betroffenen stellt sich die Frage, ob sich das alles rechtlich zulässig ist. Das Hessische Landesarbeitsgericht entschied noch am Dienstag: Der Streik ist rechtmäßig. 

Streikrecht ist verfassungsrechtlich geschützt 

Das Recht für bessere Arbeitsbedingungen die Arbeit niederzulegen ist in der deutschen Verfassung unter Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes festgehalten. Auch das Tarifvertragsgesetz (TVG) regelt als sogenanntes “einfaches Gesetz” die Möglichkeiten von Arbeitnehmern zu streiken. 

Artikel 9 des Grundgesetzes regelt die Vereinigungsfreiheit, daher das Recht aller Deutschen, sich in Gruppen für oder zur Durchsetzung bestimmte(r) Interessen zusammenzuschließen. Auch das Streikrecht in Absatz 3 knüpft hieran an. 

Ein rechtmäßiger Streik kann daher nicht von einzelnen Arbeitnehmern oder einer spontan gebildeten Gruppe durchgeführt werden, sondern nur durch eine Gewerkschaft. Um als Gewerkschaft zu gelten, müssen Arbeitnehmerverbände über eine ausreichende Zahl an Mitgliedern in Relation zur Gesamtzahl in dem Bereich arbeitender Tarifbeschäftigter verfügen (sog. Tarifvertragsfähigkeit) und frei von staatlichem Einfluss sein (sog. Tarifautonomie). 

Streik ist stets letztmögliches Mittel  

Auch Gewerkschaften sind bei Ausübung Ihres Streikrechts jedoch an einige Limitationen gebunden. So darf etwa nicht gestreikt werden, wenn noch ein gültiger Tarifvertrag besteht. Solang dies der Fall ist, besteht nämlich eine sogenannte Friedenspflicht zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, welche beide Parteien an die getroffenen Vereinbarungen bindet.  

Des Weiteren sind Streiks auch erst dann rechtlich zulässig, wenn vorherige Verhandlungen ergebnislos verliefen, also keine Einigung erzielt werden konnte. Nicht wichtig ist hierbei allerdings, ob die fehlende Einigungsbereitschaft aus Sicht eines Dritten nachvollziehbar ist. Ob die Forderungen der Lokführergesellschaft GDL daher als überzogen wahrgenommen werden, spielt zunächst keine Rolle. 

Letztlich muss ein Streik zudem mit einem angemessenen Vorlauf angekündigt werden. Dies, um dem Arbeitgeber die Chance zu geben doch noch einzulenken oder auch Vorbereitungen auf den anstehenden Betriebsausfall zu treffen. 

Angemessenheit der Streikmaßnahmen ist oft Kern der Auseinandersetzung 

Kommt es zur Ankündigung eines Streiks, versuchen Arbeitgeber diesen häufig noch gerichtlich zu verhindern. Kernpunkt der Argumentation ist hier in der Regel, dass die geplanten Streikmaßnahmen nicht angemessen wären. Auch das ist nämlich Voraussetzung für einen rechtmäßigen Streik. 

Bei der Beurteilung der Angemessenheit kommt es auf eine Abwägung zwischen dem verfolgten Ziel und den eingesetzten Mitteln (etwa Streikdauer und Ausdehnung) an. Stets gewichtet werden muss jedoch auch, dass dem Recht auf Streik Verfassungsrang zukommt und wirtschaftliche Verluste sowie ein Betriebsausfall zur Natur eines Streikes gehören.  

Das Streikrecht steht zudem jedem Deutschen zu, so dass der Umstand bei einem wichtigen Infrastrukturbetrieb – wie etwa der Deutschen Bahn – zu arbeiten, nicht zur Aberkennung dieses Rechts führen kann. Vor diesem Hintergrund scheiterte auch das Eilverfahren der DB gegen die streikführende GDL.  

Die DB berief sich zusätzlich auch auf eine fehlende Tariffähigkeit der GDL, also auf eine zu geringe Mitarbeiterzahl der Gewerkschaft. Da für die Aberkennung der Tariffähigkeit jedoch ein gesondertes Verfahren besteht, fand dieses Argument vor Gericht keine Beachtung. 

Zusammenfassung 

Die Streiks des Personals der DB führen der Gesellschaft regelmäßig den hohen Preis vor Augen, welcher für eine funktionierende Tarifautonomie zu zahlen ist. Auch ob die konkreten Forderungen im jetzigen Streik angemessen sind, lässt sich bestens diskutieren. Dass der Streik jedoch rechtmäßig ist, steht außer Frage.