VSVBB-Umfrage: Twitch-Streams locken Jugendliche in Casinos

22. Juni 2022
  • VSVBB befragt 14- bis 18-Jährige zum Thema Twitch- und Glücksspiel-Konsum
  • Jeder dritte Jugendliche hat schon in einem Casino gespielt oder kann sich dies vorstellen
  • VSVBB fordert Verbot von illegaler Glücksspielwerbung auf Twitch

 

Berlin, 22. Juni 2022 – Seit mehreren Jahren gibt es eine Debatte über die Wirkung, die Online-Casino-Streams auf der Plattform Twitch auf Jugendliche haben. Anlässlich dessen hat der bundesweit tätige Verbraucherschutzverein Berlin/Brandenburg (VSVBB) gemeinsam mit dem Hamburger Marktforschungsinstitut Appinio 600 Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren zum Thema Glücksspiel- und Twitch-Konsum befragt. Das Ergebnis: Jugendliche, die Online-Casino-Streams auf Twitch verfolgen, sind besonders anfällig für Spielotheken und Online-Casinos.

Jugendliche, die Online-Casino-Streams schauen, sind deutlich offener für Glücksspiel

22,5 Prozent der befragten Jugendlichen haben angegeben, schonmal in einem stationären oder einem Online-Casino gespielt zu haben. Zudem können sich weitere 12 Prozent der Befragten, die zuvor noch nie in einem Online-Casino oder einer Spielothek gespielt haben, vorstellen, dies in Zukunft zu tun. Insgesamt steht also mehr als jeder dritte Jugendliche Casinos offen gegenüber.

Besonders interessiert an Glücksspiel sind vor allem Jugendliche, die schon einmal einen Online-Casino-Stream auf der Plattform Twitch verfolgt haben. Seit mehreren Jahren hält der Trend an, dass sich sogenannte Streamer auf der Plattform filmen, wie sie überwiegend an virtuellen Slotmaschinen um Echtgeld spielen. 70,8 Prozent der befragten Jugendlichen, die einen solchen Stream schon einmal gesehen haben, haben auch schon einmal in einem Casino gespielt oder können sich dies in Zukunft vorstellen.

VSVBB-Vorsitzende hält Umfrageergebnisse für alarmierend

“Unsere Umfrageergebnisse sind alarmierend”, konstatiert die erste Vorsitzende des VSVBB, Angelika Menze. Die Pädagogin ergänzt: “Die Verharmlosung von Glücksspiel durch Twitch-Streamer treibt Jugendliche nachweislich in Online-Casinos und Spielhallen. Das ist vor allem deshalb erschreckend, da eine Vielzahl unserer Befragten noch minderjährig ist.

Twitch hat die Werbung für Online-Casinos zuletzt eingeschränkt und beispielsweise Verlinkungen auf Online-Casinos verboten. Dennoch können Jugendliche weiterhin verfolgen, wie ihre Lieblingsstreamer auf der Plattform um Echtgeld spielen und Glücksspiel als reine Spaßveranstaltung anpreisen. Dass Glücksspiel süchtig machen und Existenzsorgen verursachen kann, wird hingegen nur zu gern verschwiegen. Schließlich verdienen die Streamer oft viel Geld, indem sie ihre Zuschauer in zumeist illegale Online-Casinos locken.”

Jugendliche glauben fälschlicherweise an bundesweit zugelassene Online-Casinos

52 Prozent aller vom VSVBB befragten Jugendlichen hält die Aussage für wahr, dass es Online-Casinos gibt, die in ganz Deutschland legal sind. Unter den befragten Jugendlichen, die schon einmal einen Online-Casino-Stream gesehen haben, stimmen sogar 62,5 Prozent dieser Aussage zu.

Tatsächlich gab es zum Zeitpunkt der Befragung allerdings kein einziges Online-Casino, dass virtuelle Automaten-, Casino- oder Pokerspiele mit einer bundesweit gültigen Glücksspiellizenz anbot. Nach dem Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrages im Juli 2021 erhielt bislang nur ein Anbieter eine bundesweite Zulassung für virtuelle Automatenspiele. Das erste Online-Angebot dieses Unternehmens startete allerdings erst Mitte Juni 2022.

VSVBB fordert Verbot von Online-Casino-Streams

“Online-Casino-Streams sind nichts anderes als illegale Glücksspielwerbung und müssen deshalb verboten werden. In den vergangenen Jahren wurden auf Twitch nämlich fast ausschließlich Online-Casinos beworben, die lediglich Glücksspiellizenzen aus Ländern wie Malta, Gibraltar oder sogar Curacao besaßen. Selbst der Bundesgerichtshof hat jedoch erklärt, dass es einer deutschen Glücksspiellizenz bedarf, um hierzulande ein Online-Casino zu betreiben. Wir vom VSVBB fordern Twitch daher auf, solche Streams aus Jugend- und Spielerschutzgründen aktiv zu sperren.

Verbrauchern, die in den letzten Jahren Geld in einem Online-Casino verloren haben, empfehlen wir, die verantwortlichen Anbieter zur Rückerstattung der eigenen Verlustsummen aufzufordern. Da die meisten Online-Casinos in Deutschland illegal waren, sind die abgeschlossenen Verträge zwischen Anbieter und Spieler ungültig. Folglich haben bereits mehr als 50 deutsche Amts-, Land- und Oberlandesgerichte bestätigt, dass deutsche Verbraucher Anspruch auf eine Erstattung ihrer Verluste aus illegalem Online-Glücksspiel haben.

Wir vom VSVBB helfen Glücksspielern dabei, ihre Verlustsummen aus illegalem Online-Glücksspiel erstattet zu bekommen und leisten dabei einen wichtigen Beitrag dazu, dass Spielsüchtige die Möglichkeit zu einem finanziellen und persönlichen Neuanfang erhalten”, erklärt Angelika Menze abschließend.

Illegales Online-Glücksspiel: Diese Möglichkeiten haben betroffene Verbraucher

Außerhalb von Schleswig-Holstein konnten Online-Glücksspielanbieter in den vergangenen zehn Jahren keine deutsche Glücksspiellizenz erhalten. Zudem durften Online-Casinos mit Zulassung in Schleswig-Holstein ihr Angebot lediglich an Spieler aus dem nördlichsten Bundesland Deutschlands richten. Folglich waren Online-Casinos in den letzten Jahren in fast ganz Deutschland illegal.

Mit deutschsprachigen Websites und Glücksspiellizenzen aus EU-Ländern wie Malta oder Gibraltar gaben viele Anbieter jedoch vor, auch in Deutschland legal zu sein und führten damit zahlreiche Verbraucher in die Irre. Deutsche Glücksspieler haben daher die Möglichkeit, die verantwortlichen Online-Casinos juristisch zur vollständigen Erstattung ihrer Spielverluste aufzufordern.

Der VSVBB unterstützt Verbraucher kostenfrei bei diesem Prozess und vernetzt diese bei Bedarf mit Rechtsanwaltskanzleien, die sich gemeinsam mit Prozesskostenfinanzierern risikofrei um die Rückerstattung der Verluste kümmern. Prozesskostenfinanzierer übernehmen die vollständigen Kosten entsprechender Verfahren und beziehen lediglich im Erfolgsfall eine Provision. Der VSVBB ist ein gemeinnütziger Verein und finanziert sich ausschließlich über Spenden und Beitragszahlungen von Vereinsmitgliedern.

Weiterführende Informationen zur VSVBB-Umfrage stehen unter dem folgenden Link zur Verfügung:
https://vsvbb.de/vsvbb-umfrage-twitch-casinos/

Über den VSVBB

Der Verbraucherschutzverein Berlin/Brandenburg (VSVBB) e.V. ist ein bundesweit tätiger, unabhängiger, gemeinnütziger und demokratisch organisierter Verein mit Hauptsitz in Berlin. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, Verbraucher in ganz Deutschland über ihre Rechte aufzuklären und es ihnen zu ermöglichen, bestehende Ansprüche unkompliziert und im besten Fall eigenständig durchzusetzen. Mittelfristig möchte der Verein zudem aktiv an der politischen Gestaltung von Verbraucherrechten in Deutschland, insbesondere im digitalen Raum, partizipieren. Seit April 2022 ist Angelika Menze die Erste Vorsitzende des VSVBB.