Lebensmittelpestizide – EU verschläft Prüfungspflichten regelmäßig

28. Dezember 2022
Pestizide für Lebensmittel erweisen sich nicht selten erst im Laufe der Zeit als schädlich für Mensch und Umwelt. Trotzdem versäumt die EU erneute Überprüfungen scheinbar regelmäßig.

Als Pestizide werden gemeinhin vor allem chemische Pflanzenschutzmittel bezeichnet, welche der Abwehr von Insekten oder Krankheiten dienen. Der Großteil unserer heutigen Landwirtschaft würde ohne sie nicht funktionieren. Monokulturen (der Anbau von nur einer Pflanzenart pro Feld) machen Ernten anfällig für Störfaktoren von außen und der enorme Preisdruck auf den Lebensmittelmärkten zwingt Bauern, Ernteausfälle zu vermeiden. 

Tödlich für Insekten aber für Menschen unbedenklich? 

Sämtliche in der europäischen Union (EU) zugelassenen Pestizide durchlaufen einen Zulassungsprozess, bei welchem deren Einfluss auf die menschliche Gesundheit anhand von Tierversuchen und Laborstudien so weit wie möglich untersucht wird. Nur wenn aus diesem die Unbedenklichkeit des Mittels hervorgeht, wird der kommerzielle Gebrauch der Mittel genehmigt. 

Grund für das trotzdem andauernde Negativimage der Wirkstoffe ist zum einen, dass viele Pestizide sich erst nach deren Zulassung als gesundheitsschädlich herausgestellt haben (so etwa geschehen bei dem Wirkstoff “Methoxychlor”). Ebenso für Misstrauen sorgt jedoch, dass die Wissenschaft sich oft schon bei Zulassung nicht darüber einig ist, ob bestimmte Stoffe gefährlich sind. Da Versuche an Menschen nicht in Frage kommen, lassen sich die vorliegenden Studien und Untersuchungen nämlich häufig nicht eindeutig interpretieren. 

Ein bekanntes Beispiel für ganz unterschiedliche Interpretationen der bestehenden Studienlage ist etwa das Pestizid Glyphosat, welches vom Agrachemiekonzern Monsanto, der 2018 von Bayer aufgekauft wurde, hergestellt wird. Über die Schädlichkeit von Glyphosat streiten sich schon seit Jahren öffentlichkeitswirksam Stimmen aus der Wissenschaft, der Gesetzgebung sowie dem Konzern selbst. 

So wird das weltweit zugelassene Mittel inzwischen etwa von der WHO als “wahrscheinlich krebserregend” eingestuft und auch einige amerikanische Gerichte urteilten bereits mehrfach Schadensersatzansprüche aufgrund von Krebserkrankungen zu, die mit Glyphosat in Verbindung stehen sollen. Gleichzeitig bleiben viele Forscher jedoch dabei, dass sich ein direkter Zusammenhang zwischen dem (dosierten) Einsatz von Glyphosat und Krebserkrankungen nicht nachweisen lässt. 

EU kommt eigenen Bewertungsregularien nicht nach 

Da sich die Studienlage sowie die Möglichkeiten der Erkenntnisgewinnung in der Wissenschaft schnell verändern, schreibt die EU die erneute Überprüfung von Pestiziden nach Ablauf von zehn Jahren ab Erteilung der Zulassung vor. Eine aktuelle Studie der NGO Foodwatch stellt nun jedoch fest, dass die EU dieser Verpflichtung oft nicht oder nur stark verspätet nachkommt. 

Diese ergab, dass in Bezug auf ganze 30 Prozent der derzeit zugelassenen Wirkstoffe eine Verlängerung der Zulassung beschlossen wurde, ohne dass es zu der vorgeschriebenen, erneuten Risikobewertung kam. 15 Prozent dieser Verlängerung betreffen einen Zeitraum von fünf oder sogar mehr Jahren. 

Der Wirkstoff “Phosmet”, welchem ebenfalls eine solche Zulassungsverlängerung um fünf Jahre zuteilwurde, stellte sich nach Ablauf der Verlängerungsfrist als nicht zulassungsfähig heraus und wurde verboten. Grund hierfür waren erhebliche Gesundheitsrisiken für Arbeiter und Verbraucher, welche auch durch entsprechende Arbeitsschutzkleidung nicht ausgeschlossen werden konnten.  

Bio-Lebensmittel erheblich niedriger belastet 

Um die Aufnahme von Pestiziden möglichst gering zu halten, empfiehlt es sich, in erster Linie Bio-Lebensmittel bzw. Lebensmittel aus ökologischem Anbau zu konsumieren. Diese weisen eine um 70 bis 100 Prozent niedrigere Konzentration an Pestizidbelastung auf. Zudem ist es Bio- und Ökobauern nicht erlaubt auf chemisch-synthetische Wirkstoffe zurückzugreifen. 

Ebenfalls weit weniger belastet sind Lebensmittel aus dem EU-Inland, sowie robuste Lebensmittel wie Kohl, Kartoffeln oder Mohrrüben im Vergleich zu schnell verderblichen Früchten wie Beeren oder Fruchtgemüsen wie etwa Tomaten. 

Gänzlich ausschließen, lässt sich der Konsum von Pestiziden jedoch nicht. Hierfür bedürfte es vielmehr einer grundlegenden Reform der Art und Weise, wie wir Landwirtschaft heute verstehen und betreiben. 

Zusammenfassung 

Die Diskussion um die Pestizidbelastung wird seit Jahren und unter großer Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit geführt. Oft mischen sich in dieser schon bestehende Ressentiments mit wissenschaftlich erwiesenen Fakten, die Urangst vor giftigen Lebensmitteln mit berechtigten Zweifeln an der Sicherheit von an Menschen weitgehend unerprobten Chemikalien. 

Umso wichtiger erscheint ein konstantes Monitoring der zugelassenen Stoffe auf deren Verträglichkeit. Dass gerade dieses oft verschleppt wird, schadet zum einen dem Vertrauen aber gegebenenfalls sogar der Gesundheit der Verbraucher.  

Der VSVBB fordert daher die konsequente Einhaltung der Prüfungspflichten seitens der EU sowie eine langfristige Transformation hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft für Verbraucher und Umwelt.