EuGH spricht deutscher Umweltvereinigungen Klagebefugnis zu 

13. November 2022
Der EuGH hat der deutschen Umwelthilfe und anderen Umweltvereinigungen die Befugnis zugesprochen, gegen staatliche Behörden Klage einzureichen, wenn diese geltende Abgasschutzbestimmungen nicht durchsetzen. 

In einem langjährigen Verfahren der Deutschen Umwelthilfe (DUH), in welchem diese das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) zu einem strikten Vorgehen gegen Abgasmanipulationen verurteilt sehen wollte, entschied nun der europäische Gerichtshof (EuGH).  

Das Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein befand eine entsprechende Klage der DUH zwar zunächst als unzulässig, da es dem Verband schon an der Befugnis fehle, gegen das KBA zu klagen. Der EuGH entschied jedoch nur kurz darauf in einem zwar den Gewässerschutz betreffenden, jedoch nicht unähnlich gelagerten Fall zugunsten einer Umweltorganisation und sprach ihr Klagebefugnis zu.  

Auch das Verwaltungsgericht überdachte hieraufhin seine Entscheidung und wandte sich in Bezug auf die Frage der Klagebefugnis an den EuGH. 

EuGH spricht Klagebefugnis entgegen dem nationalen Recht zu 

Letzterer positionierte sich nun eindeutig und wie auch zuvor schon im Rahmen der Klage des Wasser- und Naturschutzverbandes. So sollen Umweltschutzvereinigungen auch dann zur Klage über die Durchsetzung europäischen Umweltschutzbestimmungen befugt sein, wenn das jeweilige nationale Recht eine Klagebefugnis nicht vorsieht oder einer solchen gar entgegensteht. 

Grundlage dieser Rechtsauffassung sind zum einen völkerrechtliche Abkommen in Form der sogenannten Aarhus-Konvention, vor allem aber auch die europäische Grundrechte Charta. Diese gibt nämlich in Art. 47 jeder Person (gemeint sind auch juristische Personen, wie etwa Unternehmen oder Verbände) das Recht die Gerichte anzurufen, wenn diese in durch die europäische Union garantierten Rechten verletzt wird.  

Da die Bestimmungen über die Abgasnormen und deren Durchsetzung in Form der Erteilung oder Versagung sogenannter Typengenehmigungen auf solche europäischen Rechtsakte zurückgehen, gelte das Recht deren Durchsetzung zu fordern auch für die Umweltverbände. 

Weitreichende Folgen für Verbraucher 

Das Urteil des EuGH hat vor allem für Verbraucher weitreichende Konsequenzen. Sollten die Klagen der DUH nämlich erfolgreich sein, könnte das für ca. 5 Millionen Fahrzeuge und deren Halter Nachrüstungen oder sogar den Entzug der Betriebserlaubnis zur Folge haben. Oftmals wird deshalb bereits vom “Dieselskandal 2.0” gesprochen. 

Eigentlicher Kern der Klage der DUH war nämlich, dass das KBA eine Vielzahl von Fahrzeugen im Verkehr belassen hat, obwohl diese illegale Abschalteinrichtungen enthalten. Für einen Großteil der Fahrzeuge gilt dies vor allem in Bezug auf sogenannte Thermofenster.  

Hiermit beschrieben, wird eine Softwarefunktion, welche die Funktion der Abgasreinigung außerhalb eines bestimmten Temperaturfensters deutlich zurückfährt. Dieses liegt meist in genau dem Bereich, in welchem die Fahrzeuge auf dem Prüfstand auf die Einhaltung der jeweiligen Abgasnorm getestet werden.  

Der EuGH urteilte bereits in einem früheren Verfahren (Urteil vom 14.07.2022, Az. C‑145/20), dass diese Softwarefunktion eine illegale Abschalteinrichtung darstellt und unterstrich diese Rechtsauffassung nochmals in seiner jetzigen Entscheidung. Das KBA, welches bisher in Bezug auf die Funktion untätig blieb, gerät nun also unter deutlichen Zugzwang. 

Softwareupdates und auch Schadensersatzansprüche möglich 

Für die Halter der Fahrzeuge könnte dies bedeuten, dass diese künftig Softwareupdates des Herstellers oder gar mechanische Nachrüstungen installieren lassen müssen, um ihr Auto auch weiterhin nutzen zu können. Oft unklar ist jedoch, wie diese Nachbesserungen sich auf den Motor und das allgemeine Fahrverhalten auswirken und ob diese Folgeschäden für das Fahrzeug verursachen. 

Dass bisher Forderungen des KBA nach Softwareupdates – und damit die Androhung des Entzuges der sogenannten Typenzulassung – ausgeblieben sind, war auch der Grund dafür, dass Gerichte Verbraucherklagen auf Schadensersatzansprüche vielmals abgelehnt haben. Grundlage der Schadensersatzansprüche im Dieselskandal ist nämlich, dass der Verbraucher ein Fahrzeug gekauft haben muss, welches aufgrund von illegalen, vorsätzlichen Manipulationen Gefahr läuft, künftig nicht mehr im Straßenverkehr bewegt werden zu können. Sollte die DUH mit Ihrer Klage nun Erfolg haben, könnte genau das der Fall sein. 

Zusammenfassung 

Der VSVBB begrüßt die klare Positionierung des EuGH. Diese ist ein wichtiger Schritt, um aufzuzeigen, dass die Ansprüche von Millionen Verbrauchern zu Unrecht als unberechtigt abgelehnt wurden. Der einseitige Protektionismus des KBA zugunsten der deutschen Autoindustrie schadet nicht nur der Umwelt, sondern auch den Käufern der mangelhaften Fahrzeuge, welche diese schon längst im Austausch gegen den Kaufpreis hätten zurückgeben können. 

Eine solche Rückgabe ist jedoch nach derzeitiger Rechtsprechung in vielen Fällen nicht nur für drei, sondern sogar zehn Jahre möglich. Auch für Käufer älterer Fahrzeuge besteht daher noch immer die Chance ihr Recht erfolgreich durchzusetzen.  

Wir vom VSVBB beantworten gern Fragen zu betroffenen Fahrzeugtypen und der allgemeinen Rechtslage. Tragen Sie sich hierfür einfach in unser Formular ein und wir kommen auf Sie zurück. 

Mehr zum Thema: Abgasskandal

Vom Kleinwagen bis hin zum Wohnmobil sind deutschlandweit mehrere Millionen Autos vom Abgasskandal betroffen. Die Halter dieser Autos können hohe Entschädigungsansprüche geltend machen, denn die manipulierten Fahrzeuge haben unter anderem stark an Wert verloren.
Mehr erfahren