EuGH Generalanwalt bestätigt unzulässige Datenspeicherung seitens der SCHUFA 

2. April 2023
Mit Veröffentlichung der Schlussanträge des Generalanwaltes am EuGH vom 16.03.2023 positionierte dieser sich eindeutig zugunsten betroffener Verbraucher. Die SCHUFA lenkte bereits ein. Trotzdem könnten dieser nun erhebliche Schadensersatzforderungen drohen. 

Circa 250.000 Betroffene profitieren von der Entscheidung der SCHUFA, Einträge über die Restschuldbefreiung nun nur noch sechs Monate, statt ganzer drei Jahre vorzuhalten. Freiwillig war diese jedoch keineswegs, vielmehr wird seit Veröffentlichung der Schlussanträge des Generalanwalts beim EuGH immer deutlicher, dass die deutsche Auskunftei über Jahrzehnte hinweg rechtswidrig Daten speicherte.  

Ob der vorauseilende Gehorsam, mit welchen die SCHUFA nun noch vor Urteilsverkündung des EuGH die in Rede stehenden Eintragungen über Restschuldbefreiungen löscht, ausreicht, um weitere Ansprüche zu verhindern, erscheint zumindest zweifelhaft. 

Die Schlussanträge des Generalanwaltes sind zwar lediglich eine Entscheidungsvorlage für das Gericht, mit welcher dieser seine Rechtsauffassung darlegt, der EuGH folgt dieser jedoch regelmäßig.  

HBDI und SCHUFA plädierten für Rechtmäßigkeit langjähriger Speicherung 

Grundlage des Verfahrens, aus welchem die Schlussanträge hervorgingen, war ein sogenanntes Vorlageersuchen des Verwaltungsgerichts Wiesbaden, mit welchem dieses um Klärung von Rechtsfragen des europäischen Datenschutzrechts durch den EuGH ersuchte. 

Eine solche Klärung war notwendig, da bei dem Wiesbadener Verwaltungsgericht zwei Verfahren anhängig waren, in welchen die Kläger gegen gleichlautende Bescheide des Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (HBDI) vorgingen.   

Die jeweiligen Bescheide gingen aus Beschwerden dieser Kläger hervor, mit welchen die Durchsetzung der Löschung von in der SCHUFA-Datenbank gespeicherten Eintragungen über eine sogenannte Restschuldbefreiung beantragt wurde. Diese behielt die SCHUFA für ganze drei Jahre bei, und dass obwohl eine Löschung aus den staatlichen Insolvenzregistern bereits nach Ablauf von sechs Monaten stattfindet. 

Mit der Restschuldbefreiung wird der Schuldenerlass am Ende einer Privatinsolvenz bezeichnet. Mit dieser können überschuldete Verbraucher Schuldenfreiheit erlangen, ohne sämtliche der bestehenden Verbindlichkeiten gänzlich zu tilgen.  

Überraschenderweise positionierte sich der Datenschutzbeauftragte des Landes Hessen eindeutig zugunsten der SCHUFA und übernahm deren Rechtsauffassung ohne Beanstandung. Es sei bereits unklar, ob die Schufa als private Auskunftei an dieselben gesetzlichen Regelungen wie die Insolvenzgerichte gebunden sei. Zudem sei eine Speicherung jedoch zum Schutz der (Kredit-)Wirtschaft notwendig, um dieser eine Gefahrenabwägung beim Vertragsschluss zu ermöglichen. 

Generalanwalt positioniert sich eindeutig entgegen SCHUFA und HDBI 

Der Generalanwalt am EuGH beurteilte die Rechtslage nun jedoch gänzlich abweichend. Zwar sei Vertrauen grundlegend, um ein funktionierendes Wirtschaftsleben zu ermöglichen und auch private Auskunfteien können zur Herstellung eines solchen beitragen. Ebenfalls Berücksichtigung finden müssen jedoch die erheblichen negativen Folgen der Eintragungen über vergangene Restschuldbefreiungen für den Betroffenen. 

Diese negativen Folgen fielen umso mehr ins Gewicht, da schon der deutsche Gesetzgeber mit seiner Entscheidung für eine sechsmonatige Löschfrist eine klare Abwägung getroffen habe. Diese Abwägung versuche die SCHUFA – ohne eine ausreichende Rechtfertigung – zu umgehen. 

Dass dieser ein berechtigtes Interesse zukomme, die Restschuldbefreiung für drei weitere Jahre nach deren Löschung aus dem Insolvenzregister – und somit sechsmal so lang wie gesetzlich vorgeschrieben – vorzuhalten, sei auch deshalb anzuzweifeln, da bereits unklar sei welche Aussagekraft einer derart veralteten Information über die frühere Verschuldung des Betroffenen zukomme. 

Betroffene können Löschung und gegebenenfalls sogar Schadensersatz verlangen 

Die SCHUFA reagierte prompt. Schon am 28. März und somit 12 Tage nach Verkündung der Schlussanträge veröffentlichte diese eine Pressemitteilung, in welcher die Löschung sämtlicher betroffener Eintragungen über Restschuldbefreiungen angekündigt wurde.  

Ob dies aus Einsichtigkeit oder vielmehr aufgrund der Befürchtung von Schadensersatzforderungen geschieht, bleibt unklar. Angesichts der – allein in Bezug auf den aktuellen Inhalt der Datenbank – ca. 250.000 Betroffenen, birgt die klare Positionierung des Generalanwaltes Potenzial für erhebliche Finanzeinbußen seitens Deutschlands größter Wirtschaftsauskunftei. 

Betroffene, welchen aufgrund der rechtswidrigen Eintragung etwa einen Kredit zu schlechteren Konditionen als ohne diese annehmen musste, könnten bei Bestätigung der Rechtsauffassung des Generalanwaltes durch den EuGH nämlich Schadensersatz verlangen. Gleiches gilt nach Ansicht vieler Rechtsanwaltskanzleien bereits dann, wenn ein Vertragsschluss (Handyvertrag oder auch ein Darlehen) aufgrund der Eintragung abgelehnt wurde. 

Sollte auch nur ein Bruchteil der hiervon betroffenen Verbraucher seine Ersatzansprüche durchsetzen, könnte der SCHUFA Holding AG also eine Klagewelle drohen. 

Zusammenfassung 

Die Schlussanträge des Generalanwalts beim EuGH zeigen auf, dass das System der privaten Wirtschaftsauskunfteien mit dem modernen Datenschutzrecht schon seit langem nicht mehr Schritt hält. Alarmierend scheint vor diesem Hintergrund die eindeutige Positionierung des hessischen Datenschutzbeauftragten zugunsten der SCHUFA im Vorgang des jetzigen Verfahrens. 

Betroffenen (Verbraucher mit einer abgeschlossenen Privatinsolvenz innerhalb der letzten 36 Monate) ist zu empfehlen, die Löschung Ihrer Eintragung bei der SCHUFA gesondert zu beantragen. Auch die Prüfung von Schadensersatzansprüchen erscheint sinnvoll und wird von einigen Online-Rechtsdienstleistern bereits kostenlos angeboten.