Die Verbandsklage kommt – aber wie?
Das Bundesjustizministerium hat zu Beginn dieser Woche einen ersten Referentenentwurf zur Einführung der Verbandsklage vorgestellt. Anstoß für die Einführung der neuen Klageart war die europäische Verbandsklagerichtlinie, welche sämtliche EU-Staaten zur Ermöglichung von Sammelklagen verpflichtet. Der VSVBB erklärt, was die Neuerung für Verbraucher bereithält.
Keine Musterfestellungsklage 2.0
Vor Allem aus dem Abgasskandal ist einigen Verbrauchern die Musterfestellungsklage ein Begriff. Eine solche wurde sowohl gegen den Volkswagen-Konzern eingeleitet als auch später gegen die Mercedes-Benz Group AG.
Anders als im Rahmen der Musterfestellungsklage, sollen Verbraucher im Rahmen der Verbandsklage jedoch nicht lediglich auf Feststellung klagen können, sondern auch auf Abhilfe. Ganz konkret heißt das, dass eine Vielzahl von Privatperson in einem gemeinsamen Prozess gegen ein Unternehmen klagen und Schadensersatz verlangen können.
Letzteres war im Hinblick auf die Musterfestellungsklage anders. Hier konnte lediglich die Feststellung einer Rechtsverletzung eingeklagt werden. Nach Durchführung musste der Einzelne daher entweder privat – wenn auch vereinfacht – noch einmal gesondert auf Schadensersatz klagen oder einen Vergleich mit dem Schädiger annehmen.
Nachzügler werden ausgeschlossen
Obwohl der Entwurf über die Verbandsklage somit bereits deutliche Verbesserungen für Verbraucher bereithält, gibt dieser auch Anlass zur Kritik. Vor allem die fehlende Möglichkeit eines “späten Opt-In” ist aus Sicht des VSVBB nur schwer nachzuvollziehen.
Als Opt-In wird die Möglichkeit bezeichnet sich auch noch nach der Erhebung einer Massen- oder Sammelklage zum Mitkläger zu machen. Da nicht jeder Verbraucher zeitnah von einem geplanten Verfahren erfährt und die Medienberichterstattung oft erst zum Verhandlungsbeginn ihren Höhepunkt erreicht, ist gerade ein spätes Opt-In eine wichtige Möglichkeit so viele Fälle wie möglich einer Klärung zuzuführen.
Derzeit ist ein Opt-In jedoch nur bis zum Beginn der Hauptverhandlung möglich. Grund sei laut Bundesjustizministerium, dass die Unternehmen bis hierhin absehen können sollen, welche Menge an Forderungen konkret auf sie zukommt.
Diese Begründung wirft jedoch zumindest Fragen auf. Schließlich sollte es dem Unternehmen als Schädiger ein Leichtes sein zu beurteilen wie viele Verbraucher dieses tatsächlich geschädigt hat. Für den einzelnen Verbraucher hingegen bedeutet die fehlende Möglichkeit des späten Opt-Ins den Verweis auf die kostenintensive Einzelklage und somit oft auch den vollständigen Verzicht auf die Durchsetzung des eigenen Rechts.
Zum Ablauf im Einzelnen
Voraussetzungen für die Einreichung der Verbandsklage soll die Erhebung durch eine qualifizierte Einrichtung sein.
Nach dem derzeitigen Entwurf kommen als solche große Verbraucherschutzverbände mit 350 oder mehr Mitgliedern sowie die landeseigenen Verbraucherzentralen in Betracht. Zudem muss der jeweilige Verband seit vier oder mehr Jahren in das Unterlassungsklageregister eingetragen sein – und somit mindestens seit fünf Jahre bestehen.
Wird eine Verbandsklage eingereicht, haben betroffene Verbraucher die Möglichkeit sich in das Verbandsklageregister einzutragen und Ihre Ansprüche anzumelden. Kommen mindestens 50 Personen mit gleichartigen Ansprüchen zusammen, kann die Klage vor Gericht gebracht werden.
Klägerin im Verfahren bleibt jedoch allein die Einrichtung, welche die Verbandsklage erhoben hat. Kosten für den einzelnen Verbraucher fallen also nicht an.
Im Laufe der Klage prüft das Gericht die erhobenen Ansprüche. Hält es diese für berechtigt, spricht dieses ein sogenanntes Abhilfegrundurteil, welches die Berechtigung feststellt und den Abschluss eines Vergleiches empfiehlt. Scheinen die Ansprüche hingegen unberechtigt, wird die Klage abgewiesen.
Scheitern auch die Vergleichsverhandlungen, kommt es zum Abhilfeendurteil. Das Gericht bestimmt in diesem Fall einen Gesamtbetrag für den zu zahlenden Schadensersatz und setzt einen Sachwalter ein, welcher die Gelder an die klagenden Verbraucher verteilt.
Zusammenfassung
Wie die neue Klageart angenommen wird und ob diese tatsächlich mehr Verbrauchern zur Durchsetzung Ihrer Rechte verhilft, bleibt abzuwarten.
Die enge Begrenzung der klageberechtigten Verbände und das Verbot der gleichzeitigen Verfolgung wirtschaftlicher Interessen könnte die Verbandsklage zu einem teuren Instrument machen, dessen Einsatz sich nur wenige der berechtigten Institutionen leisten können.
Trotz dessen markiert die bevorstehende Einführung einen Wendepunkt, denn auch diese ermöglicht Verbrauchern die kostenlose Geltendmachung der eigenen Ansprüche. Auch Privatpersonen mit wenig Vermögen erhalten somit besseren Zugang zum Recht. Zudem kann auch bei kleinen Schadenssummen eine Durchsetzung erwogen werden.
Gerade bei Letzteren scheiterte eine Geltendmachung in der Vergangenheit oft an fehlender wirtschaftlicher Attraktivität für Anwälte und einem hohem Kostenrisiko für den einzelnen Verbraucher.