CO2-Betrug – Autobauer schummelten wohl auch beim Kraftstoffverbrauch
Gerade in Zeiten explodierender Spritpreise und steigender CO2-Besteuerung lässt so manch einen diese Nachricht nicht kalt: Mehrere Autobauer haben ihre Fahrzeuge mit einem deutlich zu niedrigem Kraftstoffverbrauch beworben. Zumindest Neuwagenkäufer können jedoch aufatmen. Betroffen sind nach derzeitigem Kenntnisstand vor allem Besitzer von Fahrzeugen des VW-Konzerns aus den Modelljahren 2013 bis 2015. Der VSVBB klärt auf, was es mit diesem bisher weitgehend unbekannt gebliebenen Betrugsfall auf sich hat.
Keine Konsequenzen trotz Kronzeugen und Selbstanzeige
Schon im Jahr 2015 kam durch Aussagen mehrerer VW-Mitarbeiter heraus, dass das Unternehmen nicht nur in Sachen Stickstoff betrog. Auch die angegebenen CO2-Werte vieler Konzernfahrzeuge entsprachen nicht der Wahrheit. Untermauert wurden diese Anschuldigungen durch die Veröffentlichung von Gesprächsprotokollen zwischen VW und dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV). Diese hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) nach einem langwierigen Rechtsstreit im April letzten Jahres einsehen und veröffentlichen können.
Nach den Schilderungen der VW-Mitarbeiter wurden bei Messungen des CO2-Ausstoßes gesetzliche Vorgaben – welche die Zuverlässigkeit der Messungen gewährleisten sollen – “maximal ausgereizt”. Die europäischen Richtlinien schreiben vor, dass CO2-Werte anhand eines repräsentativen Fahrzeuges für eine gesamte Flotte, also eine Gruppe vergleichbarer Fahrzeuge desselben Herstellers durch diesen ermittelt und der Zulassungsbehörde mitgeteilt werden müssen.
Auch wie das Ausreizen der gesetzlichen Vorgaben von statten ging, zeigen die Aussagen der Konzern-Mitarbeiter. So wurde etwa der Reifendruck des getesteten Fahrzeuges auf mehr als 3,5 Bar erhöht, um die Reibung zu verringern oder gar Diesel in das Motoröl gemischt, damit das Fahrzeug weniger Sprit verbraucht. Die durch die Prüfungen ermittelten CO2-Werte entsprachen somit keineswegs dem, was laut Herstellerangaben im realen Fahrbetrieb zu erwarten sei.
Mit einem Eingeständnis dieser Darstellungen trat hieraufhin auch Volkswagen selbst im November 2015 an das BMDV. Darüber hinaus gab der Konzern zu, die mitgeteilten CO2-Werte für einige Fahrzeuge selbst bei maximaler Ausreizung gesetzlicher Spielräume nicht reproduzieren zu können. Der Konzern bot dem Bundesministerium daher an, betroffene Verbraucher im Hinblick auf den Mehrverbrauch der Fahrzeuge sowie Steuernachzahlungen zu entschädigen. Gleichzeitig verwies dieser jedoch auch auf die Arbeitsplätze, welche im Zuge dieser Maßnahmen in einigen VW-Werken vermeintlich zu streichen wären. Nicht weniger als 7.000 Arbeitsplätze waren nach Angaben des Konzerns gefährdet, wenn dieser die angebotenen Abhilfemaßnahmen tatsächlich umsetzen müsste.
Das BMDV – damals noch unter Führung von CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer – nahm diese Rechnung scheinbar für bare Münze. Denn anstatt die Entschädigungsvorschläge des Volkswagen-Konzerns anzunehmen, legte dieses dem Konzern die faktische Rücknahme seiner Selbstanzeige nahe. Zu Überprüfungen oder auch nur zu einem kritischen Nachhaken seitens des Ministeriums kam es scheinbar nie.
Viele Modelle aus den Jahren 2013 bis 2015 von CO2-Betrug betroffen
Von den Falschangaben betroffen sind Modelle aus den Jahren 2013 bis 2015. VW selbst gab zunächst zahlreiche der Typen der Marken VW, Audi, Skoda und Seat als betroffene Modelle an. Die erste Auflistung des Konzerns betraf insgesamt nicht weniger als 800.000 Fahrzeugkäufer.
Nach den Besprechungen mit dem BMDV korrigierte der Konzern seine Liste aufgrund “weiterer Überprüfungen” jedoch nachträglich. Nun betroffen seien nur noch rund 36.000 Fahrzeuge des Konzerns und diese statt von einem Mehrverbrauch von im Schnitt 18 Prozent auch nur von einem Mehrausstoß von “wenigen Gramm CO2 pro 100 Kilometer”.
Inwiefern auf die Angaben des Herstellers vertraut werden kann, lässt sich nur schwer nachvollziehen. Hierfür wären Nachprüfungen des BMDV bzw. des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) notwendig gewesen, zu denen es jedoch nie kam.
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Die Folgen der Manipulation für Fahrzeughalter
Für die Halter betroffener Automobile ergibt sich aus der CO2-Manipulation vor allem, dass der tatsächliche Spritverbrauch ihres Fahrzeugs deutlich von den Angaben des Herstellers abweicht. Dieser steht nämlich in einem proportionalen Verhältnis zum CO2-Ausstoß. Die oft als CO2-Betrug gelabelten Falschangaben sind somit vor allem auch ein Betrug rund um den Kraftstoffverbrauch der Modelle. Gerade angesichts der steigenden Kraftstoffpreise geben betroffene Fahrzeughalter also deutlich mehr Geld für den Unterhalt ihres Autos aus, als dies nach Herstellerangaben der Fall sein sollte.
So entstehen dem durchschnittlichen Autofahrer bei den derzeitigen Preisen für Benzin jährlich ca. 189 Euro Mehrkosten durch die Falschangaben. Auf die durchschnittliche Nutzungsdauer eines Fahrzeuges von zehn Jahren gerechnet, schlagen diese mit 1890 Euro zu Buche. Fährt man hierüber hinaus – etwa als Pendler – mehr als die durchschnittlichen 980 Kilometer monatlich, steigen die Mehrkosten exponentiell.
Die grundsätzlich ebenfalls bestehende Gefahr einer Nachzahlungsforderung seitens des Finanzamtes scheint zumindest gebannt. Grundsätzlich bemisst sich die KfZ-Steuer – neben dem Hubraum – vor allem auch nach der Menge des CO2-Ausstoßes. Eine Steuernachzahlung wäre also zumindest für den Zeitraum der letzten vier Jahre noch immer möglich.
Der VW-Konzern hat jedoch bereits bekanntgegeben, dass eine eventuelle Steuermehrbelastung allein diesem in Rechnung gestellt werde. Ob diese Bekanntgabe als Akt der Wiedergutmachung zu verstehen ist oder vielmehr deshalb geschah, weil auch die Staatsanwaltschaft Braunschweig VW als Steuerschuldner ansieht und daher gegen den Konzern wegen Steuerhinterziehung ermittelt, sei dahingestellt.
Schadensersatzansprüche betroffener Fahrer völlig unklar
Bisher völlig unklar ist, ob betroffenen Fahrzeughaltern (noch) ein Schadensersatzanspruch zusteht. Da die CO2-Manipulationen bereits im November 2015 erstmals öffentlich wurden, könnten etwaige Ansprüche bereits verjährt sein, insofern diese denn bestanden. Denn für einen Schadensersatz nach Vorbild des Dieselskandals müsste der CO2-Betrug mit der dort maßgeblichen Softwaremanipulation seitens einiger Hersteller vergleichbar sein. Sollte dies der Fall sein, können Betroffene welche ihr Fahrzeug als Neuwagen erwarben zumindest auf einen sogenannten Restschadensersatz hoffen. Eine gerichtliche Klärung blieb – auch aufgrund des schwer nachvollziehbaren Handelns seitens des BMDV – bisher jedoch aus.
Schon oftmals durch den BGH entschieden ist hingegen, dass bereits ein Kraftstoff-Mehrverbrauch von 10 Prozent gegenüber den Herstellerangaben Gewährleistungsansprüche begründet. Da solche jedoch nur innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren ab Übergabe des Fahrzeuges geltend gemacht werden können, sind auch diese für die betreffenden Fahrzeuge bereits ausgeschlossen.
Zusammenfassung
Spätestens mit Veröffentlichung der Besprechungsprotokolle zwischen VW und dem BMDV ist es offiziell: Das BMDV hinderte bis zu 800.000 betroffene Verbraucher an der Geltendmachung der Ihnen zustehenden Schadensersatz- oder zumindest Gewährleistungsansprüche. Auch dieser Vorfall reiht sich somit in die Liste fragwürdiger Entscheidungen des BMDV unter der Leitung von Andreas Scheuer (CSU) ein.
Ob noch einmal Bewegung in die brisante Thematik um die falschen CO2-Angaben kommt, hängt vor allem davon ab, ob diese unter der neuen Leitung des Ministeriums einer erneuten Überprüfung unterzogen wird. Schon angesichts der immer neuen Vorwürfe gegen verschiedenste Autobauer, scheint eine vollständige Aufklärung der jahrelangen Verstrickungen zwischen BMDV, Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) und der Autoindustrie jedoch im Interesse der Verbraucher aber auch der Bürger insgesamt geboten.