BGH entscheidet zum Recht auf Vergessenwerden 

28. Mai 2023
Wer heutzutage wissen will, wer vor einem sitzt, kann dies oft schon durch eine kurze Internetrecherche herausfinden. Für den Betroffenen kann dies schnell unangenehm werden. Der BGH urteilte nun, wann ein sogenanntes Recht auf Vergessenwerden besteht. 

Informationen zu verbreiten, war nie einfacher als heute. Quasi jeder kann diese im Internet hochladen und somit jedermann zugänglich machen und dies unabhängig davon, ob die in Rede stehenden Informationen richtig oder falsch sind. 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich deshalb bereits mit den Umständen zu befassen, unter welchen Betroffenen ein Recht auf Löschung der im Internet abrufbaren Daten zusteht beziehungsweise wann diese in Google nicht mehr auftauchen dürfen (Entscheidung vom 23.05.2023; Az. VI ZR 476/18). 

Paar klagte gegen Negativberichterstattung 

Hintergrund der jetzigen Entscheidung war die Klage eines deutschen Paares, welches in der Finanzberatungsbranche tätig ist. Dessen berufliche Aktivitäten und die von diesem vertriebenen Anlagemodelle wurden auf einer US-amerikanischen Website in ein zweifelhaftes Licht gerückt.  

Nach eigenen – bisher unbewiesenen – Angaben sollte das Paar mit den Berichten erpresst werden. Das Portal veröffentliche regelmäßig Negativberichte und lösche diese hieraufhin, gegen Zahlung eines Geldbetrages. 

Ebenfalls Gegenstand des Verfahrens war die in der Google-Bildersuche auftauchenden, sogenannten Thumbnails, welche von der US-Website genutzt wurden. Nach Meinung des Paares rückten die Bilder – diese zeigten den Betroffenen bei einem Hubschrauberflug, die Betroffene bei einer Cabriofahrt – in ein schlechtes Licht.  

Da diese als Anlageberater arbeiteten, entstehe der Eindruck, diese lebten auf Kosten ihrer Kunden in überschwänglichem Luxus. 

Die Klage des Paares vor dem BGH richtete sich gegen die Listung der Berichterstattung beziehungsweise der zugehörigen Bilder in der Google-Suche. Google weigerte sich im Vorlauf des Verfahrens, die Einträge zu entfernen, da der Konzern nicht überprüfen könne, ob die Berichterstattung wahr oder fehlerhaft sei. 

Bundesgerichtshof legte Verfahren zunächst dem europäischen Gerichtshof vor 

Das Verfahren, welches nun höchstrichterlich entschieden wurde und somit wegweisend sein dürfte, geht bereits auf eine erste Klage des Paares aus dem Jahr 2015 zurück.  

Das damals zuständige Landgericht Köln lehnte das Begehren ab, ebenso das mit der Berufung befasste Oberlandesgericht des Bundeslandes. Grund für die Ablehnungen war jeweils, dass das Paar nach Meinung der Gerichte nicht ausreichend nachgewiesen habe, dass die in Rede stehende Berichterstattung tatsächlich unwahr sei. 

Der letztlich mit dem Verfahren befasste BGH, zweifelte zunächst an der Reichweite des Artikels 17 der Datenschutzgrundverordnung – welcher das Recht auf Vergessen regelt – und wandte sich an den EuGH, um abzuklären inwiefern und in welcher Form ein Nachweis der Unwahrheit in einem solchen Fall notwendig ist.  

EuGH setzt unterschiedliche Voraussetzungen für Text und Bildquellen 

Dieser entschied, dass eine Löschung nur dann rechtlich notwendig wird, wenn der Betroffene nachweist, dass die verbreiteten Informationen – zumindest zu einem bedeutenden Teil – unrichtig sind. Bei Bildern hingegen sei auch entscheidend, ob diese in einem Kontext dargestellt werden bzw. welchen Eindruck diese ohne einen solchen erwecken können (EuGH, Urteil vom 08.12.2022, Rechtssache C-460/20). 

Der BGH setzte die Entscheidung des EuGH nun weitgehend um und wies die Klage der Betroffenen dementsprechend ab, da es an Nachweisen für Falschbehauptungen fehle. Eine Pflicht der Suchmaschinenbetreiber, Wahrheit oder Unwahrheit von Eintragungen zu recherchieren bestehe nicht. 

Lediglich die Thumbnails seien durch Google zu löschen, da diese ohne Kontext abrufbar und somit ungerechtfertigterweise geeignet seien, diese zu verunglimpfen. 

Zusammenfassung 

Die Entscheidung des BGH hinsichtlich der Voraussetzungen für erfolgreiche Löschungsanträge macht deutlich, dass ein bloßes Unwohlsein über abrufbare Informationen nicht ausreicht, um diese entfernen zu lassen. Angesichts der Meinungs- und Informationsfreiheit scheint diese Entscheidung gut nachvollziehbar. 

Zumindest höchstrichterlich ungeklärt bleibt jedoch zunächst, welche Voraussetzungen wann für die Entfernung gelten, wenn nicht etwa Tatsachen, sondern vor allem – abfällige – Meinungen geäußert werden. 

 

 

 

  

 

 

 

 

 

Mehr zum Thema: Facebook-Datenleck

Weltweit sind über 533 Millionen Personen vom Facebook-Datenleck betroffen. Betroffene Facebook-Nutzer müssen damit rechnen, dass ihre Daten für kriminelle Zwecke missbraucht werden. Unter anderem deshalb besteht Anspruch auf Schadensersatz.
Mehr erfahren