BGH entscheidet zu Reiserücktritten während Corona
Mit der Entscheidung vom 28.02.2023 entschied der BGH zum nun vierten Mal über die Pflicht von Verbrauchern, wegen eines Reiserücktrittes im Rahmen der Corona-Pandemie Stornierungsgebühren zu zahlen.
Auch mit der jetzigen Entscheidung machen die obersten Bundesrichter deutlich, dass sich diese Fälle keinesfalls pauschal beurteilen lassen.
Veranstalter verlangte Stornogebühr trotz unsicherer Rückreise
Der jüngsten Entscheidung des BGH liegt ein Fall zugrunde, in welchem ein Verbraucher von seiner geplanten Pauschalreise nach Marokko zurücktrat, nachdem dieser davon erfahren hatte, dass der Flugverkehr von und nach Marokko nach seiner Hinreise coronabedingt eingestellt werden solle.
Der Reiseveranstalter forderte im Zuge des Rücktritts trotzdem eine Entschädigung, da immerhin Anreise und Aufenthalt trotz des in Frage stehenden Rückfluges noch immer möglich waren.
Der obersten Zivilrichter positionierten sich hier jedoch eindeutig. Die Unklarheiten bezüglich der Rückreise begründen unvermeidliche, außergewöhnliche Umstände. Der Kläger kann daher laut Gesetz (§ 651 h Abs. 3 BGB) von seiner Buchung zurücktreten, ohne dass der Veranstalter deswegen eine Entschädigung verlangen könne.
Gebührenfreier Rücktritt bei Kreuzfahrt und wenig Raum
Auch im Falle der vorhergehenden Entscheidung zu diesem Themenbereich gelangten der BGH zu einer verbraucherfreundlichen Entscheidung.
Hier klagte eine bereits 84-jährige Klägerin gegen ihren Reiseveranstalter, da dieser aufgrund ihres Rücktrittes von einer geplanten Kreuzfahrt ganze 85 Prozent des Reispreises als Stornogebühr einbehielt.
Die Rentnerin, welche bereits mehrmals unter Lungen- und Bronchialentzündungen litt, sah die Reise auf engem Raum mit vielen anderen Personen während der Pandemie als zu gefährlich an und stornierte dieser daher. Der Reiseveranstalter hielt dem entgegen, dass dieser die Kreuzfahrt mit einem angepassten Hygienekonzept durchgeführt hätte. Dieses enthielt unter anderem eine Reduzierung der Passagieranzahl von 176 auf 100 Passagiere.
Der BGH gab der Klägerin Recht. Ihr Alter in Verbindung mit der Corona-Pandemie und die fehlende Möglichkeit der medizinischen Behandlungen akuter Fälle an Bord des Schiffes begründen auch hier unerwartete sowie auch außergewöhnliche Umstände.
Hotelschließung allein nicht ausreichend
In der dritten Entscheidung klagte ein Verbraucher auf die Rückersttaung des vollen Reispreises, da der Veranstalter seiner Reise Stornogebühren einbehielt, obwohl das gebuchte Hotel pandemiebedingt geschlossen wurde.
Der BGH entschied hier zugunsten des Reiseveranstalters. Der Umstand, dass das Wunschhotel nicht mehr zur Verfügung stand, berechtigte den Kläger nur zur Minderung, da diesem ein Alternativhotel angeboten wurde. Das für einen kostenfreien Rücktritt erforderliche Maß erreiche die Beeinträchtigung durch den Hotelwechsel jedoch nicht.
Stornogebühr trotz Reiseabsage?
Etwas kurios mutet die vierte Entscheidung des BGH an. In dieser stornierte der Kläger frühzeitig aufgrund der Coronapandemie seine Japanreise.
Nachdem der Reiseveranstalter hierfür – und noch über eine bereits bezahlte Anzahlung hinaus – eine Stornogebühr verlangte, welche der Kläger zahlte, wurde die Reise seitens des Veranstalters (für die verbliebenen Reisenden) coronabedingt storniert.
Der Kläger verlangte daher Rückzahlung der gezahlten Beträge, da die Reise nie stattgefunden hätte. Aus Laiensicht kurios: Ob dem Kläger allein deshalb eine solche Rückzahlung zusteht wird unter Juristen nicht einheitlich beurteilt.
Viele Rechtsspezialisten sind hier nämlich der Ansicht, dass allein die Tatsachenlage zum Zeitpunkt der Stornierung seitens des Reisenden maßgeblich sei. Da zu diesem Zeitpunkt die Reise noch durchführbar war und angeboten wurde, wäre der Kläger trotz Absage durch den Veranstalter zur Zahlung der Stornogebühr verpflichtet.
Auch der BGH sah die Rechtslage uneindeutig und legte die Frage, auf welchen Zeitpunkt nun hier abzustellen sei, dem EuGH zur Entscheidung vor. Eine Entscheidung dessen steht derzeit noch aus.
Zusammenfassung
Die bisherige Rechtsprechung des BGH zeigt vor allem, dass das Aufkommen der Coronapandemie allein nicht ausreicht, um Reisende bei Rücktritt vor Entschädigungsansprüchen der Veranstalter zu bewahren.
Da die Bundesrichter eine individuelle Betrachtung der Fälle anstellen, dürften auch noch in Zukunft eine Vielzahl von BGH-Entscheidungen zu diesem Themenkomplex zu erwarten sein. Die Handhabung der wohl größte Fallgruppe – der Zurücktretenden deren Reise später veranstalterseitig storniert wurde – bleibt bis zur Entscheidung des EuGH abzuwarten.