BGH entscheidet erstmals über Corona-Reiserecht-Fall

8. Juli 2022
Viele Verbraucher warten noch immer auf eine eindeutige Klärung der Rechtslage bei coronabedingten Reiserücktritten. Ein nun anstehendes Urteil des obersten Zivilgerichtshofes könnte Klarheit bringen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) wird im kommenden August erstmals ein Urteil zu einem Fall, in dem es um einen coronabedingten Reiserücktritt geht, sprechen. Der Richterspruch der obersten Zivilinstanz könnte wegweisend für eine Vielzahl ähnlicher Rechtsstreitigkeiten sein, welche derzeit noch die Amts- und Landgerichte bundesweit beschäftigen. Der VSVBB erklärt, worum es in dem Verfahren geht und worauf Verbraucher bei Reiserücktritten in der Pandemie achten müssen. 

Erst Reiserücktritt dann Lockdown 

Geklagt hatte ein Verbraucher, welcher für April 2020 eine Japan-Reise zu einem Preis von ca. 6.000 Euro gebucht hatte. Einen Monat vor Reiseantritt stornierte dieser die Reise, da sich die weltweite Pandemielage zunehmend zuspitzte. Tatsächliche Einreisebeschränkungen oder größere Hindernisse aufgrund der Corona-Pandemie bestanden zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht. 

Dies änderte sich innerhalb des Folgemonats und somit in genau dem Zeitraum, in welchem die Reise eigentlich stattgefunden hätte. Japan verhängte schon zu Ende März 2020 ein komplettes Einreiseverbot. Der Antritt der Reise wäre dem Kläger daher unmöglich gewesen. Die Befürchtungen des Klägers – seine Reise werde aufgrund der Pandemie letztlich ausfallen – haben sich also bewahrheitet. 

Dieser verlangt daher nun die fällig gewordene Stornierungsgebühr von 25 Prozent des Reisepreises – immerhin 1.554 Euro – vor Gericht zurück. Das Eintreten des Einreiseverbots habe sich schon bei Stornierung abgezeichnet. Auch für den vorzeitigen Rücktritt hätten daher keine Gebühren verlangt werden dürfen. 

Untere Instanzen uneinig 

Das Amtsgericht München, welches als erstes mit dem Fall beschäftigt war, gab dem Kläger Recht und verurteilte das Reiseunternehmen zur Rückerstattung. Das Landgericht München hingegen wies die Klage im Zuge der Berufung seitens des Reiseveranstalters insgesamt ab.Wie der BGH sich nun positionieren wird, bleibt zunächst unklar. Das eigentlich für Ende Juni angesetzte Urteil wurde auf August vertagt. 

Entscheidend für den Ausgang des Verfahrens ist, ob dem Kläger eine Aufrechterhaltung seiner Buchung schon bei Stornierung nicht mehr zumutbar war. Dies wäre dann der Fall, wenn schon hier mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit von erheblichen Einschränkungen oder gar einer Unmöglichkeit der Reise auszugehen war. 

Nach den obersten Zivilrichtern können hierfür nicht nur die Fallzahlen, sondern auch die politische Entwicklung der Coronamaßnahmen am Reiseziel oder in nahegelegenen Staaten einen wichtigen Indikator darstellen. 

Klares Urteil nicht zwingend 

Ob der BGH sich eindeutig in Form eines letztgültigen Urteils positionieren wird, bleibt abzuwarten. Ebenso möglich wäre zum einen, dass die obersten Zivilrichter den Fall zurück an das Landgericht verweisen. Eine solche Zurückweisung geschieht immer dann, wenn nach Ansicht des Bundesgerichtshofes noch nicht alle notwendigen Tatsachen ermittelt wurden.  

Zum anderen wäre auch eine Vorlage bestimmter Rechtsfragen an den europäischen Gerichtshof (EuGH) nicht unwahrscheinlich, denn maßgeblich für die Entscheidung sind auch Auslegungsfragen des europäischen Rechts. Sollte das Richtergremium am BGH hier unsicher sein, besteht sogar eine Pflicht zur Vorlage. 

Reiserücktrittsversicherung greift oft nicht 

Der Ausgang des Verfahrens ist auch deshalb für zahlreiche Verbraucher interessant, weil viele der gängigen Reiserücktrittsversicherungen im Fall von Covid-19 nicht greifen. 

Teilweise wird ein coronabedingter Reiseausfall explizit vom Versicherungsschutz ausgenommen, da die Zahl der Versicherungsfälle die Anbieter sonst schnell an die Grenze der wirtschaftlichen Belastbarkeit bringen würde. Hier lohnt sich daher der Blick ins Kleingedruckte.  

Zusammenfassung 

Ein pandemiebedingter Reiserücktritt bleibt meist nur dann ohne Folgekosten, wenn der Antritt der Reise beziehungsweise das Aufrechterhalten der Buchung dem Verbraucher nicht zumutbar war. 

Das Urteil des BGH könnte hier langersehnte Klarheit darüber bringen, wann eine Zuspitzung der Pandemiesituation zu einer solchen Unzumutbarkeit und somit zum Entfall von Stornierungsgebühren führt. 

Ob die obersten Zivilrichter selbst entscheiden oder zunächst weiterverweisen, bleibt allerdings abzuwarten. Der VSVBB wird weiter berichten. 

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