Blitzer-Bußgelder: Wann lohnt sich der Einspruch?
Gerade nach Einführung des neuen Bußgeldkataloges am 9. November 2021 ist ein Bußgeldbescheid wegen Patzern im Straßenverkehr oft nicht leicht zu verdauen. Schon bei einer Übertretung von 11km/h fallen nach dieser bereits 40 Euro Strafe an. Viele Anwälte und Online-Rechtsdienstleister werben daher mit der Durchführung von Einsprüchen gegen solche Bescheide. Der VSVBB klärt auf, ob und wann sich ein solcher Einspruch lohnt und ob hierfür zwingend die Hilfe eines Rechtsdienstleisters in Anspruch genommen werden sollte.
Der Werbung von Online-Rechtsdienstleistern ist teilweise zu entnehmen, dass jeder zweite Bußgeldbescheid fehlerhaft sei. Selbst wenn dem so wäre, hieße das jedoch noch nicht, dass jeder zweite Verkehrssünder kein Bußgeld zahlen muss. Fehlerhaftigkeit kann nämlich auch nur bedeuten, dass etwa die Begründung des Bußgeldbescheides unzureichend ist, hieraus folgt allerdings nicht die Nichtigkeit des Bescheides. Wie das Bayrische Oberlandesgericht (BayObLG VRS 62, 475) formulierte, bedarf es hierfür vielmehr des Vorliegens besonders krasser Mängel. Entgegen der Darstellung vieler Anbieter bleibt die Nichtigkeit von Bußgeldbescheiden und somit der Entfall des angeordneten Bußgeldes also die absolute Ausnahme.
Wann liegen ausreichende Mängel vor?
Die Liste der Fehler, welche tatsächlich einen Entfall des Bußgeldes zur Folge haben, ist kurz. Insbesondere nicht geeichte Messgeräte, ungeschultes Messpersonal oder fehlerhaft aufgestellte Blitzer sind hier zu nennen.
Ein seltener, jedoch leicht erkennbarer Fehler liegt vor, wenn seit Begehung des Verstoßes bereits drei Monate vergangen sind und Sie noch immer keinen Anhörungsbogen oder Bescheid zugestellt bekommen haben. In diesem Fall tritt nämlich gemäß § 26 Absatz 3 des Straßenverkehrsgesetzes die sogenannte Verfolgungsverjährung ein. Ein weiteres Vorgehen der Behörden wegen des Geschwindigkeits-, Rotlicht- oder auch Handyverstoßes ist dann grundsätzlich ausgeschlossen. Erreicht Sie hingegen zwischenzeitlich ein Anhörungsbogen, beginnt die Verjährung erneut zu laufen. Auch mit Anhörungsbogen beträgt die maximal zulässige Zeitspanne bis zur Zustellung eines Bußgeldbescheides somit jedoch lediglich sechs Monate.
Ebenfalls auch für Laien erkennbar ist die zu nahe Aufstellung des Blitzers an einem Verkehrsschild, welches eine Verringerung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit anzeigt. Je nach Bundesland gelten hier Mindestabstände von 75m bis hin zu 250m zum Schild, abhängig davon, ob es sich um einen Ortseingang, eine Autobahn oder auch eine Kraftfahrtstraße handelt. Aber Achtung: Einige Bundesländer – wie etwa Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg – haben überhaupt keinen Mindestabstand geregelt, hier ist auch das Blitzen direkt hinter dem Schild problemlos möglich.
Anders als die Verfolgungsverjährung oder die Einhaltung von Mindestabständen ist das Vorliegen anderer Mängel für den durchschnittlichen Betroffenen kaum erkennbar. So kann etwa ein Blitzer auch dann nicht geeicht gewesen sein, wenn dessen Messung mit ihrer Wahrnehmung übereinstimmt. Die verpflichtende Eichung von Geschwindigkeitsmessgeräten dient nämlich lediglich der Kontrolle zutreffender Messungen, ist aber keine zwangläufige Voraussetzung für solche. Hier können dann nur noch Spezialisten weiterhelfen.
Was kann ich tun?
Grundsätzlich steht es Ihnen zunächst frei, Einspruch gegen den Bescheid einzulegen. Hierfür ist lediglich eine Frist von zwei Wochen ab Zustellung einzuhalten. Kosten entstehen für das Einspruchsverfahren nicht und selbst eine Begründung des Einspruches ist nicht zwingend notwendig.
Um Einspruch einzulegen ist ein entsprechendes Schreiben per Brief oder Fax an die ausstellende Behörde zu senden. Inhaltlich reicht es bereits, wenn aus diesem hervorgeht wer gegen was Einspruch einlegt. Eine Formulierung wie: “Hiermit lege ich Einspruch gegen den Bußgeldbescheid mit dem Aktenzeichen … ein” hat somit bereits zur Folge, dass Ihr Bußgeldbescheid bis zur Entscheidung über den Einspruch in der Schwebe bleibt.
Gerade wenn Sie noch überlegen, ob sie rechtliche Betreuung in Anspruch nehmen oder noch nach Fehlerquellen suchen, ist es daher empfehlenswert zunächst Einspruch einzulegen und diesen gegebenenfalls später wieder zurückzunehmen. Denn: verpassen Sie die zwei Wochen Frist, scheidet jedes weitere rechtliche Vorgehen aus.
Ob sich in Ihrem Fall der Gang zum Anwalt oder zu einem anderen Rechtsdienstleister lohnt, ist für den Laien kaum erkennbar. Ein Anhaltspunkt, den Sie auch selbst leicht nachvollziehen können ist – neben dem Eintritt von Verjährung – die Angabe des verwendeten Gerätes im Bußgeldbescheid. Oft finden sich zu fehleranfälligen Messgeräten zahlreiche Beiträge im Internet.
Gehört das in Ihrem Fall verwendete Gerät zu dieser Kategorie, kann dies zumindest für erhöhte Erfolgschancen sprechen. Ein weiterer wichtiger Punkt in der Abwägung ist naturgemäß die Höhe des Bußgeldes sowie ein gegebenenfalls gleichzeitig verhängtes Fahrverbot oder sogenannte Punkte in Flensburg. Desto höher die Strafe ausfällt, desto eher ist die Inanspruchnahme professioneller Hilfe angezeigt.
Wie unterscheiden sich die verfügbaren Rechtsdienstleister?
Wie schon dargestellt tummeln sich am Markt einige Anbieter, welche Abhilfe bei Bußgeldbescheiden wegen Verkehrsverstößen versprechen. Nicht alle dieser Anbieter sind Rechtsanwälte, sondern viele auch sogenannte Legal-Tech Unternehmen, welche lediglich mit Anwälten kooperieren und auch sonst oft einige Besonderheiten aufweisen.
So ist bei Kooperation mit einem Online-Anbieter zunächst nicht zu erwarten, dass Sie zu einem persönlichen Gespräch in die Kanzleiräume geladen werden. Die Unternehmen der Legal-Tech Branche haben sich vielmehr auf die massenhafte Abwicklung von Fällen spezialisiert. Die meisten anfallenden Tätigkeiten geschehen daher voll- oder auch teilautomatisiert, zum Kontakt mit dem Mandanten kommt es in der Regel nur im Rahmen der Information über den derzeitigen Verfahrensstand.
Diesem recht unpersönlichen Auftreten steht jedoch auch ein beachtlicher Vorteil gegenüber: Viele der Online-Rechtsdienstleister bieten zunächst eine kostenlose Prüfung Ihres Bußgeldbescheides an. Anders als bei vielen Rechtsanwälten sind Sie somit nicht gezwungen Ihr Geld trotz völlig ungewisser Erfolgschancen zu investieren. Fällt die Prüfung der Erfolgsaussichten positiv aus, muss für ein weiteres Vorgehen jedoch in die eigene Tasche gegriffen werden. Eine Rückerstattung der Kosten durch den Staat erfolgt nur, wenn das Verfahren zu Ihren Gunsten ausgeht.
Reguläre Anwälte nehmen sich Ihrer Angelegenheit in aller Regel persönlich an und stehen oft auch für Rückfragen jederzeit zur Verfügung. Doch auch das hat seinen Preis.
So können etwa bereits für die Beratung nicht unerhebliche Gebühren anfallen. Hinzukommen solche für die außergerichtliche und gegebenenfalls gerichtliche Durchsetzung ihrer Angelegenheit. Oft fallen diese Gebühren deutlich höher als bei Online-Anbietern aus. Gerade in simpel gelagerten Fällen lohnt es sich daher ohne Rechtsschutzversicherung oft nicht das hiermit einhergehende Kostenrisiko auf sich zu nehmen.
Fazit
Bei Bußgeldbescheiden wegen zu schnellen Fahrens oder der Nutzung eines Handys am Steuer kann ohne nähere Informationen über den Blitzer bzw. die Person, welche diesen bedient hat, oft kaum eine Aussage über die Erfolgschancen eines rechtlichen Vorgehens getroffen werden. Anders verhält es sich nur dann, wenn Bescheid oder Blitzer an einem offensichtlichen Fehler leiden.
Aufgrund der oft kaum einschätzbaren Erfolgschancen bietet sich zunächst die Inanspruchnahme kostenloser Prüfungsangebote an, um einen Überblick über die Erfolgsaussichten zu erhalten. Stehen jedoch erhebliche Summen oder auch das mit Führerschein verbundene berufliche Fortkommen auf dem Spiel, sollte auch der Gang zu einem spezialisierten Anwalt in Betracht gezogen werden. Allgemein gilt jedoch: Die meisten Bußgeldbescheide kommen, um zu bleiben.
Wo innerhalb Deutschlands die meisten Blitzer zu finden sind, hat übrigens eine unserer Partner-Kanzleien recherchiert. Das entsprechende Blitzer-Ranking finden Sie hier.