Abgasskandal um Fiat-Wohnmobile – erstmals rechtskräftiges OLG-Urteil
Das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg verurteilte am 15. September 2023 den Automobilhersteller Stellantis – Mutterkonzern des Herstellers Fiat – zur Zahlung von Schadensersatz aufgrund von Abgasmanipulationen. Da das OLG eine Revision nicht zuließ, handelt es sich bei dem Urteil quasi um das erste rechtskräftige OLG-Urteil im Abgasskandal um Fiat.
OLG spricht 10 Prozent Schadensersatz zu
In seinem Urteil gegen den Autokonzern Stellantis nahm das OLG Naumburg weitreichend Bezug auf die aktuelle Rechtsprechung des BGH in Sachen Abgasskandal. Dieser hatte mit drei Grundsatzentscheidungen im Sommer dieses Jahres klare Leitlinien für das weitere Vorgehen im Abgasskandal festgelegt.
Eine besonders wichtige Neuerung aus diesen Urteilen war, dass auch der fahrlässige Verstoß gegen Abgasvorschriften zu verbraucherseitigen Schadensersatzersatzansprüchen führen kann. Liegt ein solcher Verstoß vor, führt dies nach dem BGH nicht zur Rückabwicklung – also Rückgabe des Fahrzeuges gegen Erstattung des Kaufpreises -, sondern zur Erstattung eines Prozentwertes des Kaufpreises durch den Hersteller. Das Fahrzeug selbst kann der betroffene Käufer in diesem Fall behalten.
Die Rechtsprechung des BGH griff das OLG Naumburg nun auf und verurteilte den Fiat-Mutterkonzern Stellantis zur Zahlung von 10 Prozent des vereinnahmten Kaufpreises an den Kläger. Da das OLG die Revision für Stellantis nicht zuließ und die Klägeranwälte eine solche nicht einlegen wollen, ist das Urteil faktisch rechtskräftig.
Beliebtes Wohnmobil-Fahrgestell wurde illegal manipuliert
Gegenstand des Urteils war ein Wohnmobil auf Basis des beliebten Fiat Models Ducato. Die Manipulationen an Fahrzeugen dieses Modells (mit Baujahr zwischen 2014 und 2019) wurden im Jahr 2020 durch öffentliche Mitteilung der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main bekannt. Diese informierte die Öffentlichkeit nach Durchsuchung mehrerer Gebäude von Fiat und Iveco in Deutschland, Italien und der Schweiz darüber, dass vermutlich alle Fiat-Dieselfahrzeuge aus den Baujahren 2014 bis 2019 manipuliert wurden.
Im Hinblick auf den Fiat Ducato, hat dies vor allem für Wohnmobilfahrer starke Auswirkungen. Wohnmobilhersteller wie Dethleffs oder Hymer verwenden nämlich im Normalfall für den Bau ihrer Wohnmobile Fahrgestelle von anderen Herstellern wie beispielsweise Daimler, Fiat oder VW. Das Fahrgestell des Fiat Ducato gilt als das mit Abstand beliebtestes Fahrgestell für den Ausbau von Wohnmobilen. Fast alle Wohnmobilhersteller, die in Deutschland aktiv sind, verwenden den Fiat Ducato bei mindestens einem Modell als Basis. Insgesamt basieren mehr als die Hälfte aller Wohnmobile in Deutschland auf einem Fiat-Fahrgestell.
EU-Kommission setzt Italien wegen Fiat-Rückrufen unter Druck
Trotz der öffentlichen Mitteilung kam jedoch im Hinblick auf Fiat lange Zeit keine Bewegung in den Abgasskandal. Das liegt daran, dass die verantwortlichen italienischen Behörden in der Sache bis heute quasi untätig geblieben sind. Obwohl diese scheinbar ohne hinreichende Prüfung sogenannte Typengenehmigungen für die Fahrzeuge erteilt haben, weigern sich diese bislang tätig zu werden. So kam es tatsächlich erst zu zwei Rückrufen in der Sache und diese betreffen die Fiat-Modelle 500x und Doblò.
Ein seit 2017 laufendes EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien, weil das Land die EU-Typgenehmigungsvorschriften für Pkw nicht einhielt und manipulierte Autos nicht zurückrief, blieb bis heute ergebnislos.
Zusammenfassung
Das Urteil des OLG Naumburg macht deutlich, dass und wie die Leitlinien des BGH auf den Abgasskandal im Fiat-Wohnmobile anzuwenden sind. Für betroffene Verbraucher dürfte dies die erfolgreiche Durchsetzung von Klagen in Zukunft deutlich erleichtern.
Zu hoffen bleibt, dass auch die italienischen Behörden endlich Konsequenzen aus dem Handeln des Autobauers ziehen und so ein klares Zeichen gegen den Betrug an Verbrauchen setzen.