Fluggastrechte – Passagiere können Ersatzflug bei Flugannullierungen frei wählen
Während der Corona-Krise mussten Flugpassagiere oftmals Annullierungen ihrer Flüge hinnehmen. Nun ist das Reisen wieder uneingeschränkt möglich und der Bedarf an Nachholung eben dieser Flüge groß. Die deutsche Fluggesellschaft Lufthansa wollte die Umbuchung jedoch nur gegen einen Aufpreis hinnehmen, wenn zwischen Annullierung und Nachholtermin bereits Monate vergangen waren. Hierüber urteilte der BGH zum 27. Juni dieses Jahres und erklärte das Vorgehen für unrechtmäßig.
Vielzahl betroffener Verbraucher im Rahmen der Corona-Pandemie
Im Rahmen der Corona-Pandemie konnten Flüge aufgrund von Personalmangel beziehungsweise hohen Krankenständen sowie auch rechtlichen Beschränkungen oftmals nicht durchgeführt werden. Von Flugannullierungen betroffenen Passagieren steht hier laut der EU-Fluggastrechte Verordnung (Fluggastrechte-VO) eine kostenlose Umbuchung Ihres Fluges zu.
Lufthansa führte jedoch an, dass die Verordnung dahingehend auszulegen wäre, dass eine kostenlose Umbuchung nur im Falle eines zeitlichen Zusammenhanges zu leisten sei. Ziel der Verordnung sei es nach Auffassung des Flugunternehmens lediglich, Passagieren die ursprüngliche Reise weiterhin zu ermöglichen. Eine zeitlich deutlich spätere Reise sei von diesem Zweck jedoch nicht mehr umfasst und ein Preisaufschlag somit nicht rechtswidrig.
BGH erklärt Vorgehen der Lufthansa für rechtswidrig
Diese Handhabung wurde nun in dritter Instanz durch den Bundesgerichtshof (BGH) für rechtswidrig erklärt. Die zwei vorbefassten Instanzen, das Landgericht sowie das Oberlandesgericht Düsseldorf hatten das Vorgehen der Lufthansa zuvor jedoch für rechtmäßig erklärt.
Die obersten Zivilrichter sahen hierfür jedoch keinen Anlass. Nach diesen enthalte die Fluggastrechte-VO keinerlei Hinweise auf eine geltende zeitliche Beschränkung. Wann der Passagier seinen Ersatzflug antritt, bleibt somit diesem überlassen. Ein Aufpreis kann aufgrund des Umstandes, dass dieser sich hiermit Zeit lässt, jedoch nicht verlangt werden.
Passagieren stehen bei Flugproblemen Vielzahl von Rechten zu
Die Fluggastrechte-Verordnung legt für Passagiere eine Vielzahl von Ansprüchen im Falle von Flugverspätungen sowie auch Annullierungen fest. Diese reichen von Umbuchungs- bis hin zu Entschädigungsansprüchen.
So haben Fluggäste bei Flugverspätungen ab mindestens 3 Stunden einen Anspruch auf Entschädigung. Wie hoch diese ausfällt, ist abhängig von der geplanten Flugdistanz:
- bei Flugstrecken bis 1500 km in Höhe von 250 Euro pro Person;
- bei Flugstrecken 1500-3500 km in Höhe von 400 Euro pro Person; und
- bei Flugstrecken über 3500 km in Höhe von 600 Euro pro Person.
Auch bei Flugausfällen beziehungsweise Annullierungen ist der Anspruch zum einen von einem Zeitfaktor sowie zum anderen von der geplanten Distanz abhängig:
- erfolgte die Stornierung mehr als 14 Tage vor dem Abflugtermin, besteht kein Entschädigungsanspruch;
- erfolgte die Stornierung zwischen sieben und 13 Tagen vor dem Abflugtermin, besteht ein Entschädigungsanspruch, wenn der Ersatzflug mehr als zwei Stunden vor dem ursprünglichen Flug startet oder mehr als 4 Stunden später sein Ziel erreicht;
- erfolgte die Stornierung weniger als sieben Tage vor dem Abflugtermin, besteht ein Entschädigungsanspruch, wenn der Ersatzflug mehr als eine Stunde vor dem ursprünglichen Flug startet und mehr als zwei Stunden später sein Ziel erreicht.
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Zusammenfassung
Das Urteil des BGH unterstreicht die umfassenden Ansprüche zugunsten von Verbrauchern im Rahmen von Flugreisen. Eben solche zu schaffen war und ist Sinn und Zweck der europäischen Fluggastrechte-Verordnung.
Die vorherige Ablehnung der Klage durch die Vorinstanzen zeigt jedoch auch erneut, dass die tatsächliche Durchsetzung von Verbraucherrechten oft kostenintensiv und keineswegs selbstverständlich ist.